Gebet für Freiheit und Würde 04.05.2020

Afghanistan ist nicht sicher.

Laut dem Global Peace Index war Afghanistan 2019 das unsicherste Land weltweit.
2018 lag es mit 44.600 Kriegstoten weit vor dem Jemen: 28.800 oder Syrien: 28.500.
Trotzdem schiebt Österreich immer noch Afghaninnen und Afghanen ab – vor allem junge alleinstehende Männer. Dabei sind sie es, die besonders von den bewaffneten Konflikten im Land betroffen sind. Denn Neutralität gibt es für sie nicht. Entweder werden sie verdächtigt für die Regierung zu arbeiten und sind deshalb von den Taliban, dem IS oder anderen militanten Gruppen bedroht. Oder die Regierung argwöhnt, dass sie mit den Taliban sympathisieren oder Milizen angehören.

Die Taliban in Afghanistan gewinnen weiterhin an Macht. Sie sichern sich diese durch Überwachung und Verfolgung. Widerstand oder verweigerte Kooperation wird landesweit mit Mord verfolgt, davon betroffen sind nicht nur diejenigen, die direkten Widerstand leisten, sondern auch deren Angehörigen oder weitläufige Verwandte.
Außerdem ist bekannt, dass die Taliban eine Flucht, vor allem in den „Westen“ sanktionieren. Sie werten diese als Desertation und/oder als Abfall vom muslimischen Glauben (Apostasie). Beides wird von ihnen bestraft und auf das Schärfste sanktioniert.
Wie können unter diesen Bedingungen Abschiebungen zulässig sein? Warum gilt Afghanistan für die österreichische Regierung als sicheres Land?

Mit Blick auf die andauernde politische Unsicherheit, den fehlenden Fortschritten im Friedensprozess, die fortwährenden Angriffe von Terroristen auf Regierung und Zivilsten sowie das desolate Gesundheitssystem, stellt nicht zuletzt auch die Covid-19-Pandemie eine existenzielle Bedrohung für jede Afghanin, jeden Afghanen dar.

Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,

mit unserer Sorge um Menschen aus Afghanistan, aber auch aus anderen Ländern kommen wir zu dir.
Wir verstehen nicht, dass Menschen aus unserem Land abgeschoben werden in einen Staat, in dem Krieg, Terror, Angst und Not herrschen.
Wir verstehen nicht, warum Menschen, die so oft ein zerbrochenes, zerstörtes Leben hinter sich haben, die sich darum bemühen unsere Kultur, unser Leben hier anzunehmen, die arbeiten wollen und ihren Beitrag zu unserem Wohlstand leisten, warum sie sich nicht eine neue Perspektive, eine neue Zukunft unter uns aufbauen dürfen?
Viele von ihnen sind schon jahrelang in Österreich, in Tirol. Sie haben unsere Sprache gelernt, teilen, was uns wichtig ist und bringen sich mit ihren unterschiedlichsten Gaben ein und das, obwohl es ihnen nicht leicht gemacht wird und sie immer wieder auch mit den Geistern ihrer Vergangenheit kämpfen.
Wir bitten dich um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit für Menschen aus Afghanistan, die von der Abschiebung bedroht sind.
Wir bitten dich um Weisheit und Barmherzigkeit bei den Menschen, die über die Schicksale anderer entscheiden. Dass sie wohlüberlegte, nicht dem Mainstream folgende Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die einer Gesellschaft, in der Menschenwürde und Menschenrechte nicht in Frage zu stellen sind, gerecht werden.
Wir bitten dich für alle, die Unrecht ertragen müssen, erbarm dich ihres Elends und
ihrer Verzweiflung! Wir bitten dich für alle, die Unrecht einzudämmen versuchen und die gegen Unrecht aufbegehren! Lass sie nicht mutlos werden, sondern an der Hoffnung festhalten, dass dein Reich, dein Recht schon unter uns und durch uns anbricht.

Danke, Gott, dass wir Sprache haben,

den Schmerz zu beklagen, das Notwendige zu erbitten
und auch vom Schönen zu schwärmen.
Danke, dass wir nicht beredt sein müssen, nicht wort-gewaltig
und laut, dass du hörst –
auch unsere gestammelten und geflüsterten Gebete.
Wir bitten dich, Gott:
Gib – auch durch uns! –
den Benachteiligten deine Gerechtigkeit,
den Stummgemachten deine Stimme,
den Engstirnigen deine Weite.
den Mutlosen deine Stärke,
den Mächtigen deine Weisheit,
den Gereizten deine Stille,
den Flüchtenden deinen Schutz.
Und wir bitten: Unser Gebet sei mehr als Wunschkonzert,
Tradition und Denkleistung – es sei erfüllt mit uns selber!
Mache unser Gebet stark und uns selber lebendig!

Gemeinam beten wir zu dir:

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

1 Kommentar
  1. Antje Klocker
    Antje Klocker sagte:

    Liebe Leute!
    Vielen Dank für die wieder so treffenden Worte und sehr schönen Gebete. Ich habe in letzter Zeit einige Briefe (Guantanamo, Flüchtlingslager Moria, …) an verschiedene Empfänger geschickt. Der Einleitungstext vor dem Gebet ist sehr gut verfasst. Ich denke, man sollte dies den Regierenden schicken, sie immer wieder daran erinnern und eben auch an ihre Pflichten.
    Es gibt so viel Elend und gleichzeitig so viel Gleichgültigkeit.
    Warum tut Österreich so wenig?

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