Fast genau ein Jahr lang haben wir uns nun jeden Montag in der Zeit von 17.30 bis 18 Uhr vor der Spitalskirche in der Fussgängerzone in Innsbruck versammelt, um für Freiheit und Würde und gegen Abschiebungen vor allem nach Afghanistan zu beten.
Im Frühjahr zwang uns der Lockdown unsere Gebete zu Hause zu sprechen und auch jetzt ist es wieder die Corona Pandemie, die unser Gebet auf die Ebene des Miteinandereinstehens und Für-einander-Betens in geistiger Verbundenheit notwendig macht.
Immer noch und immer wieder darauf hinzuweisen, dass Abschiebungen nach Afghanistan in keinster Weise mit den Menschenrechten und den europäischen Werten vereinbar sind, mag merkwürdig und aufdringlich erscheinen, die Haltung der österreichischen Bundesregierung dazu hat sich leider nicht geändert. Darum erheben wir immer noch und immer wieder unsere Stimme und beten im Wissen um Verbundenheit, auch wenn wir uns nicht persönlich treffen können für die Freiheit und die Würde der Menschen, die von Abschiebungen bedroht sind-
Afghanistan ist nicht sicher.
Afghanistan ist ein von über 40 Jahren Krieg und Terror
zerstörtes Land. Es gehört mittlerweile zu den ärmsten Ländern der Welt.
Berichterstattungen über Terroranschläge oder kriegerische Auseinandersetzungen
mit den Taliban werden teilweise von der NATO zurückgehalten, um etwaige
Friedensverhandlungen nicht zu gefährden.
Die Asylgerichte Österreichs argumentieren, dass vor allem junge Männer aus Afghanistan
durchaus in ihre Heimat zurückgeschickt werden können, weil sie sich ja in den
Städten Kabul, Mazar-i-sharif oder Herat eine sichere Existenz aufbauen
könnten. Das klingt beinahe zynisch in Anbetracht der Nachrichten, die uns doch
immer wieder – trotz eingeschränkter Berichtserstattung erreichen. Erst gestern
haben unbekannte Attentäter die Hauptstadt Kabul mit Mörsergranaten
angegriffen. Bei den Explosionen von mindestens 20 Granaten sind mindestens
acht Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche Menschen wurden verletzt. Unter
den Opfern sind überwiegend Zivilisten, auch Kinder.
Afghanistan ist nicht sicher. Auch nicht in den großen Städten!
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,
deine
Haltung gegenüber uns Menschen ist klar. Vor dir sind alle Menschen gleich an
Würde und recht. Deshalb forderst du uns zu Menschlichkeit, zu Achtsamkeit und zum
Schutz der Schwachen und Verfolgten auf. Du willst, dass wir solidarisch sind, dass
wir auch denen eine Chance geben, die am Rand der Gesellschaft stehen und dass
wir in denen unsere Nächsten sehen, die unsere Hilfe brauchen.
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,
wir glauben, dass alle Menschen gleich sind. Dass alle Menschen ein Recht darauf haben in Würde und Freiheit zu leben.
Wenn Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen Terror, Gewalt und Krieg herrschen, wird ihnen dieses Recht genommen. Strukturen, Gesetze, Verordnungen, politische Systeme, die das begünstigen, lassen Menschen, die für diese Strukturen, Gesetze, Verordnungen eintreten schuldig werden.
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,
wir bitten dich, dass wir Schuld und Versagen nicht verdrängen, vergessen oder verleugnen,
sondern aufdecken, offen benennen und bekennen.
Wir glauben, dass du uns Zukunft und Hoffnung geben willst.
Zukunft, die in der Erinnerung wurzelt und in der Gegenwart gestaltet.
Hoffnung, die über uns hinausweist und Zukunft eröffnet.
Unsere Geschichte auch in Österreich ist seit Mitte des 20. Jhd. eng mit dem Bilden von Lagern, der Gettoisierung von Menschen, der Abgrenzung und Abschottung gegenüber anderen verbunden.
Wir bitten dich: lass die zerbrochenen und zerstörten Leben der Menschen in den Lagern damals und heute nicht in Vergessenheit geraten. Öffne unsere Augen dafür Not zu sehen, sie zu benennen und dafür einzutreten sie zu beseitigen.
Hilf uns Offenheit und Toleranz zu üben gegenüber den Menschen, die um unseren Schutz bitten, weil ihnen in ihrer Heimat Schutz und Zukunft fehlen.
Wir bitten dich für alle, die verzagt sind,
die sich hilflos fühlen gegenüber dem Wind, der ihnen entgegen bläst,
die erschrocken sind angesichts des stärker werdenden Rassismus und der zunehmenden Gleichgültigkeit.
Mute uns Proteste zu, denen wir eigentlich lieber ausweichen.
Hilf uns, die Ursachen von blindem Hass zu erkennen und der Achtlosigkeit entgegen zu treten.
Stelle uns in den Dienst der Solidarität
mit bedrohten Minderheiten, mit von der Ausgrenzung Betroffenen und mit denen, die auf ihre Abschiebung warten sollen .
Übe Wachsamkeit mit uns ein – gegen nationale, fremdenfeindliche und rassistische Gedanken, Worte und Taten. Lass uns erkennen, dass nicht Abschottung und Abschiebung die Idee einer Europäischen Union ist, sondern der Einsatz für Menschenrechte und Demokratie. Schenke uns, dass wir unseren Mund öffnen, damit legale Wege für Menschen, die Sicherheit und Schutz in Europa suchen, geschaffen werden.
Bewahre uns davor, das Gedächtnis zu verlieren!
Halte die Erinnerung wach, damit sie uns befähigt die Gegenwart zu verändern. Du traust uns mehr zu als wir uns selbst zutrauen, erinnere uns immer wieder daran!
Gott, in deinem Gedächtnis sind alle Menschen lebendig, die verfolgt, gequält und getötet werden.
Stärke
uns im Miteinander und füreinander Einstehen, damit wir eine lebendige Stimme
sind in der Zeit von Unmenschlichkeit, zunehmender Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus und Egoismus.
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,
stoße uns wach, damit wir deine Frage hören: „Mensch, wo sind deine Geschwister?“ und uns nicht verfangen in Ausgrenzung, Nationalismus, Wegsehen und Gleichgültigkeit. Gemeinsam beten wir zu dir:
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.