Gebet für Freiheit und Würde 20.04.2020
Abschiebungen finden zur Zeit nicht statt, aber rechtskräftig negative Bescheide werden weiterhin ausgestellt und versendet.
Auch in andere Länder, aus denen Geflüchtete hierherkommen, wird momentan nicht abgeschoben. Es dürfte aber auch ausgesprochen schwierig sein, Heimreisezertifikate für Menschen über die eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde ausgestellt zu bekommen. Denn das Coronavirus ist auf dem Vormarsch und stoppt auch nicht vor Ländern in denen Terror, Krieg und Armut herrschen. Und in den Herkunftsländern ist die Angst vor Personen, die aus Europa abgeschoben werden besonders groß. Sie könnten das Virus mitbringen. Extreme soziale Distanzierung ist die Folge. Für die Afghaninnen und Afghanen und andere, über die hier in Österreich eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde bedeutet die Aussetzung der Abschiebung aber keine Sicherheit. Die Aussetzung ist nicht verbunden mit einem Aufenthaltstitel, sie bedeutet nur noch längeres Warten und noch größere Verunsicherung. Menschenwürde ist eng verbunden mit dem Bedürfnis in Sicherheit leben zu dürfen. Mit einem Leben im Wartezustand ist das kaum zu vereinbaren.
Abschiebungen finden zur Zeit nicht statt, aber rechtskräftig negative Bescheide werden weiterhin ausgestellt und versendet. Auch die Höchstgerichte sind nicht untätig, sondern bestätigen, vor allem für junge alleinstehende Afghanen, die negativen Entscheidungen des BVwG. Das Argument scheint immer zu sein: Afghanistan ist sicher. Man(n) kann dorthin zurückkehren, wenn vielleicht nicht in die Heimatregion, dann doch in die „sicheren“ Städte Kabul, Herat, Mazar-i-Sharif. Diese Entscheidungen betreffen übrigens nicht nur Afghanen, die bisher, seit drei vier, fünf Jahren im Asylverfahren waren, sondern ebenso Menschen, die vor acht Jahren, neun, zehn oder sogar noch mehr Jahren subsidiären Schutz in Österreich erhielten. Subsidiärer Schutz wurde in Österreich gewährt, wenn die Asylbehörden davon ausgingen, dass dem Leben eines Menschen in der Heimat „ernsthafter Schaden“ droht. Nun wird dieser Schutz für Afghaninnen und Afghanen nicht mehr verlängert. Afghanistan ist ja sicher. Auch für Menschen, denen vor vielen Jahren subsidiärer Schutz gewährt wurde und die diesen Schutz verlängern konnten, werden nun Rückkehrentscheidungen getroffen. Selbst dann, wenn sie in Österreich integriert sind, die Sprache gelernt haben, einer Arbeit nachgehen und eine eigene Wohnung finanzieren.
Die Verunsicherung der Afghaninnen und Afghanen ist groß. Wie wird sich ihre Zukunft entwickeln? Gibt es in Österreich überhaupt eine für sie? Afghanistan, das ist für die Allermeisten klar, ist keine Alternative. Ein Land, dass immer noch von Terror, Krieg, Korruption, Willkür und dem täglichen Kampf ums Überleben geprägt ist. Die Corona Pandemie, die auch vor diesem, einem der ärmsten Länder der Welt, nicht Halt macht, treibt die Verunsicherung und die Angst auf die Spitze. Es gibt viele Afghanen, die jahrelang unter uns in Österreich gelebt haben, mit denen wir freundschaftlich verbunden sind, die nun ihr Glück in einem anderen (europäischen) Land suchen. Ist es das, was die österreichische Regierung erreichen will? Erreicht hat?
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung,
wir sind ratlos, fühlen uns ohnmächtig und wollen doch nicht aufhören, dafür zu kämpfen, das geflüchtete Menschen in Österreich Asyl erhalten und eine Perspektive für ihre Zukunft bekommen.
In unserer Ratlosigkeit, mit unserer Ohnmacht kommen wir zu dir.
Zu dir beten wir:
Du bist das Leben, du willst das Leben. Dein Sohn Jesus Christus ist auferstanden, weil du dem Tod die Macht genommen hast.
Doch wir erleben, wie der Tod in vielfältiger Weise noch um uns greift, leichtfertig in Kauf genommen von Politik und Regierenden. Zukunftspläne von Menschen, die niemals grundlos und unüberlegt ihr Herkunftsland verlassen mussten, werden vernichtet, ihre Hoffnung gelähmt.
Wir bitten dich, halte unsere Augen wach, damit sie die tiefe Not von Menschen wahrnehmen. Lass uns hinschauen in unsere Flüchtlingsunterkünfte, an die Asylgerichte, die Beratungseinrichtungen. Aber auch nach Moria, Lesbos, das Mittelmeer.
Erfrische unsere Gedanken, damit sie nicht aufhören Ideen für ein gerechtes Miteinander und Linderung von Not zu denken. Lass sie übersprudeln in verstaubte Regierungen, verstockte Regierungsprogramme und steinharte Regierungsköpfe.
Öffne unseren Mund, damit er nicht verstummt gegenüber Intoleranz, Gleichgültigkeit und Unbarmherzigkeit. Lass uns lautstark dafür eintreten, dass die Rechte derer, die verstummt, mundtot und resigniert sind genauso gewahrt werden, wie die der Vorlauten und Ungehobelten.
Lehre uns – in aller Unsicherheit unserer eigenen Nöte – Großzügigkeit. Eine Großzügigkeit, die Fremde nicht ausgrenzt, sondern teilhaben läßt, weil wir erkennen, dass Vielfalt uns alle bereichert. Lass uns gerade dann in dieser Großzügigkeit leben, wenn Engstirnigkeit und soziale Kälte erlebbarer zu sein scheinen.
Gott, du Schöpfer der Zukunft und der Hoffnung.
Du bist das Leben. Du willst das Leben. Vor dir sind alle Menschen gleich. Dafür danken wir dir.
Wir glauben mit Gewissheit, dass du mitten unter uns bist, wenn wir unsere Ängste, unsere Stärken, unsere Bedürftigkeit, unser Glück und unsere Liebe miteinander teilen. In diesem Glauben wollen wir durch die neubegonnene Woche gehen, Herausforderungen annehmen und eintreten für alles, was dem Leben dient. Begleite du uns dabei mit deinem Segen.
Wir beten zu dir, wie Jesus Christus uns es gelehrt hat:
Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.